Führung aktuell – Bosch schafft individuelle Boni ab!

Bosch hat seine Hausaufgaben in punkto Motivation gemacht. Am 19.09.2015 meldeten die Stuttgarter Nachrichten, dass Bosch die individuellen Boni für Mitarbeiter abschaffen will. Die seien nicht motivierend, verkündete Firmenchef Volkmar Denner. Stattdessen sollen die Mitarbeiter künftig eine Prämie erhalten, die sich am Erfolg der Firma insgesamt orientiert. Das neue Bonus-System wird von ihm als „Revolution“ bezeichnet.

Bei Google wird der Beitrag der Stuttgarter Nachrichten unter dem Titel „Mitarbeiter-Belohnung bei Bosch …“ gelistet. Die FAZ titelt: „Bosch-Chef: „Geld kann demotivierend wirken““ und unter „Mehr zum Thema“ werden wir informiert: „Bonuszahlungen für Bäcker steigern den Umsatz“.

Da noch viele Unternehmen in Deutschland mit individuellen Boni arbeiten, nehme ich diesen Vorstoß von Bosch zum Anlass, ein paar grundsätzliche Gedanken zur Motivierung durch Anreizsysteme loszuwerden. Im neuen Jahr werde ich mich dann in meinen Beiträgen ausführlicher mit dem Thema Motivierung und Motivation auseinandersetzen.

Typisches Bonussystem

Typisches Anreizsystem © professore.deHier ist die typische Struktur eines Anreizsystems dargestellt. Zu einem Grundgehalt können drei ergebnisabhängige Anteile dazuverdient werden:

  • eine Leistungsprämie aufgrund individueller Zielerreichung,
  • ein Ergebnisbonus aufgrund der Ergebnisse der übergeordneten Führungsebene und
  • ein Strategiebonus aufgrund der Unternehmensergebnisse.

Je nach Führungsebene fallen die Anteile unterschiedlich aus: Angehörige des lower Management und oft auch Mitarbeiter ohne Führungsfunktion werden an der Erreichung ihrer individuell vereinbarten Ziele gemessen. Führungskräfte aus dem middle Management haben  typischerweise ihren Schwerpunkt beim Ergebnisbonus für die Abteilung oder den Bereich. Top Manager erhalten nach diesem Modell noch einen Strategiebonus, der die Steigerung des Unternehmenswerts widerspiegeln soll.

Was soll mit leistungsorientierter Vergütung erreicht werden?

Leistungsorienterte Vergütung ist Bestandteil der großen Gruppe der Anreizsysteme, die mit Geldleistungen dazu führen sollen,

  • die Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber zu steigern (Attraktion),
  • die Bereitschaft der Mitarbeiter zur Leistung zu steigern (Motivation),
  • die Bindung der wertvollen Mitarbeiter an das Unternehmen sicherzustellen (Retention).

Es geht also darum, Mitarbeiter und Führungskräfte für das Unternehmen zu gewinnen, diese zu einer zielgerichteten Erbringung von Leistung zu bewegen und sie an das Unternehmen zu binden.

Attraktivität des Arbeitgebers durch Boni?

Schauen wir uns den Faktor „‚Attraktion“ einmal näher an. Studien zeigen schon lange, dass ganz andere Faktoren zur Arbeitgeberattraktivität beitragen, als ein Bonus. Wenn es schon individuelle Anreize sein sollen, so können z.B. persönliche Weiterbildungsangebote oder die Einbindung in attraktive Projekte für Mitarbeiter attraktiv sein. Bei Bewerber- und Mitarbeiterbefragungen rangieren meist qualitative Größen, wie Karriereaussichten und die Vereinbarkeit von Familien- und Berufsleben auf den vorderen Plätzen der Arbeitgeber-Attraktivität.

Welcher Mitarbeiter-Typ wird durch Boni angezogen?

Durch leistungsabhängige Gehaltsanteile werden Menschen angezogen, denen ein hohes Einkommen am wichtigsten ist. Dieser Typ von Mitarbeitern hat eher wenig Interesse am Unternehmen selbst und an langfristigem Unternehmenserfolg. Margit Osterloh von der Universität Zürich vermutet zudem aufgrund ihrer umfassenden Studie zum „Pay for Performance“ für Manager, dass hier Manipulationspotenziale bei Managern entstehen können (vgl. Osterloh et. al. 2008).

Leistungsmotivation durch Boni?

Leistungsmöglichkeiten: Um Leistung im Unternehmen erbringen zu können, müssen überhaupt erst einmal Leistungsmöglichkeiten bestehen. Dazu gehören Werkzeuge, Informationen, Organisation, also Strukturen, die das Unternehmen bereitstellen muss. Dazu gehört sicherlich auch die Erlaubnis, Leistung für das Unternehmen zu erbringen. Viele Chefs sehen es gar nicht so gern, wenn Mitarbeiter sich Gedanken um Verbesserungen und Innovationen machen, „anstatt zu arbeiten“.

Leistungsfähigkeit: Wer Leistung erbringen will, muss fähig dazu sein. Leistungsfähigkeit wird z.B. durch Personalentwicklung und Weiterbildung ermöglicht. Die Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmer wird aber auch durch die Gesundheit der Arbeitnehmer beeinflusst. Hier haben schon etliche Unternehmen eine breite Palette von Maßnahmen der Gesundheitsförderung und des  Gesundheitsmanagements ergriffen.

Leistungsbereitschaft: Die dritte Bestimmungsgröße für die Erbringung von Leistung ist die Leistungsbereitschaft der Beschäftigten, ein wohl bekanntes Problem, das ja Taylor zur Entwicklung seines Systems der wissenschaftlichen Betriebsführung inspiriert (vgl. meine Blogbeiträge 10, 11, und 12) und danach unzählige Motivationstheorien hervorgebracht hat. Heute wissen wir, dass vor allem intrinsische Faktoren wie Freude an der Arbeit, Verbundenheit mit dem Unternehmen und die Beziehung zum direkten Vorgesetzten maßgebend für die Leistungsbereitschaft sind.

Leistungsorientierte Vergütung wirkt als extrinsischer Motivator, wenn überhaupt, nur auf die Leistungsbereitschaft.

 

Wenn leistungsorientierte Vergütung nur auf die Leistungsbereitschaft wirkt, ist also zu fragen, welche Bedingungen denn die menschliche Leistungsbereitschaft erhöhen. Menschen sind in der Regel eher intrinsisch motiviert:

  • Sie wollen ihre Arbeit als sinnvoll erleben,
  • selbständig entscheiden,
  • Herausforderungen meistern und
  • Arbeit und Leben miteinander vereinbaren.

Dies hat die humanistische Psychologie schon früh erkannt und ein entsprechendes Menschenbild entworfen (siehe die Ausführungen zum Menschenbild der Humanistischen Psychologie in einem meiner nächsten Beiträge).

Intrinsische Motive können durch extrinsische Anreize verdrängt werden

Dies haben viele Studien der letzten 50 Jahre nachgewiesen. 2007 haben Weibel, Rost und Osterloh in ihrer Untersuchung zum „Crowding out of Intrinsic Motivation“ entsprechende Ergebnisse vorgelegt.

Es liegt auf der Hand,

  • dass finanzielle Anreize können dazu führen können, dass sich Menschen nur auf diejenigen Aufgaben konzentrieren, für die es finanzielle Belohnungen gibt,
  • dass, wenn reduzierte intrinsische Motivation nicht durch extrinsische Anreize kompensiert wird, die Leistung sinkt,
  • dass es zu weiteren finanziellen Ansprüchen auch für andere Aufgaben kommen kann, wenn finanzielle Anreize für eine bestimmte Aufgabe gewährt werden,
  • dass extrinsische Anreize kontinuierlich ihre motivierende Wirkung verlieren. Sie müssen also immer weiter gesteigert werden, um Motivatoren sein zu können.

Und schließlich – für mich das schwerwiegendste Argument gegen finanzielle Anreizsysteme:

Mit extrinsischen Anreizen sprechen wir den Menschen das Misstrauen aus, zumal das Soll-Gehalt nur durch zusätzliche Leistungen erreicht werden kann. Wir behandeln sie wie unmündige Kinder und machen damit klar, dass wir ihnen nicht zutrauen, ohne solche äußeren Anreize angemessen zu arbeiten. Mit Boni hebeln wir das natürliche Gerechtigkeitsempfinden der meisten Menschen aus und konditionieren sie dazu, dem Geld hinterher zu laufen. Wie soll da echte Leistungsmotivation und Verbundenheit mit dem Unternehmen entstehen.

 

Mitarbeiterbindung durch Boni?

Fragen wir uns doch einfach mal, was Menschen wirklich an ihr Unternehmen bindet. Studien belegen, dass Vertrauen und Commitment die wichtigsten Bindungsfaktoren sind. Dies können wir auch aus der Spieltheorie lernen: Langfristige Kooperation zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer lohnt sich.

Die goldene Regel hierzu heißt „tit for tat“ (Wie Du mir, so ich Dir). Sie kann in vier Einzelregeln zusammengefasst werden: reciprocity, niceness, forgiveness, clarity. (vgl. z.B. Axelrod 2005)

 

Der Aufbau einer Vertrauenskultur ist also das Beste, was man tun kann, um gute Mitarbeiter im Unternehmen zu halten. Ein weiterer Bindungsfaktor ist natürlich gerade in Krisenzeiten die Sicherheit des Arbeitsplatzes und persönliche Bindungen zu Personen im Unternehmen. Ein sehr wichtiger Bindungsfaktor ist eine als sinnvoll empfundene Arbeitsaufgabe. Menschen brauchen das Gefühl, etwas zum Gelingen der Gesamtaufgabe beizutragen.

Fazit

Individuelle Leistungsanreize schwächen das Unternehmen © professore.de Individuelle, leistungsorientierte Vergütungsanteile sind nicht dazu geeignet, den Unternehmenserfolg langfristig zu steigern. Ihre Attraktionswirkungen sind eher kontraproduktiv, da sie Menschen anzieht, die Eigennutz und nicht Unternehmenswertsteigerung in den Mittelpunkt stellen. Ihre Motivationswirkungen sind marginal und können ebenfalls zu negativen Auswirkungen führen, etwa durch die Verdrängung intrinsischer Leistungsmotive. Ihre Retentionswirkungen sind neben anderen Faktoren marginal und können kontraproduktiv sein, da sie eine Misstrauenskultur sowie Manipulationsneigungen fördert.