Führung verstehen – Teil 15: Welches Menschenbild haben Sie?
Unser Menschenbild prägt unser soziales Verhalten
Unser Menschenbild zeigt, wie wir „den“ Menschen sehen. Die wirklichen Menschen in unserer Umgebung nehmen wir durch das Raster unseres Menschenbilds wahr und verhalten uns ihnen gegenüber entsprechend. So bestimmt das Menschenbild eines Vorgesetzten eben auch sein Verhalten zu den Menschen in seiner Führungsspanne.
Unser Menschenbild ist geprägt von Erlebnissen, die wir im Laufe unseres Lebens gemacht haben. Wesentlich sind dabei die prägenden Erfahrungen unserer ersten Lebensjahre: Wie tritt mir die Welt gegenüber? Bekomme ich, was ich brauche? Fühle ich mich mit den Menschen um mich herum geborgen und aufgehoben? Kann ich den Menschen vertrauen? Daraus entstehen bildhafte Ableitungen, die wir im Laufe unseres Lebens immer wieder bestätigen und verfestigen. Aus den subjektiven Erfahrungen (ich) werden Generalisierungen (man). Solche Generalisierungen helfen uns einerseits dabei, schnell und zielsicher zu agieren. Wir müssen „das Rad nicht immer wieder neu erfinden“. Die Kehrseite der Medaille ist aber, dass wir uns die Welt mit Stereotypen zustellen und uns den Weg zu wirklich neuen Erfahrungen verbauen: Frauen sind so, Männer sind so, Manager sind so und Betriebsräte sind so, und Beamte sind so, wie im nebenstehenden Bild dargestellt.
Mogeln sich Menschen durch? Sind Menschen habgierig und nur auf den eigenen Vorteil bedacht? Wenn Sie das bejahen, dann haben Sie bestimmt schon viele solcher Erfahrungen gemacht. Aber: Sie schaffen sich wahrscheinlich auch immer wieder Umstände, die diese Erfahrungen bestätigen.
Das Bild, welches wir uns „vom Menschen“ machen, ist stets abhängig von den kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen, in denen wir leben. In der Literatur zur Mitarbeiterführung findet man unter dem Begriff „Menschenbild“ verschiedenartige Annahmen über „den“ Menschen. Diese impliziten Annahmen beeinflussen dann die Wahl der in Büchern und Führungsleitfäden empfohlenen Methoden und Instrumente der Mitarbeiterführung. So ist das gesamte Gebäude der Motivationstheorien darauf gebaut, dass Menschen nicht von allein ihre Arbeit verrichten, sondern sich möglichst vor Anstrengungen drücken wollen. Unter der Prämisse eines anderen Menschenbilds, nach dem Arbeit die selbständige, planvolle Gestaltung der äußeren Natur des Menschen ist, sieht die Sache dann aber wieder ganz anders aus. Aus dieser Perspektive ist Arbeit ein wesentliches Lebensbedürfnis des Menschen, Arbeitsplatzverlust erscheint dann in unserer realen Welt als Sinnentleerung.
Vor-Urteile
Alle Bemühungen, das Wesen „des“ Menschen zu erklären, sind im Grunde nichts anderes als Versuche, die Komplexität menschlichen Verhaltens und Erlebens in reduzierender Weise zu beschreiben, vorherzusagen und zu kontrollieren. Unser Menschenbild ist in diesem Sinne immer durch Vor-Urteile geprägt, welche wir uns aufgrund unserer bewussten (und auch unbewussten) Erfahrungen von Menschen machen. Sie sind vereinfachte Aussagen über das Wesen des Menschen, wie wir es empfinden.
Persönlichkeitstheorie
Der Begriff des Menschenbildes ist im direkten Zusammenhang mit dem Begriff der impliziten Persönlichkeitstheorie zu sehen. Diese sagt aus, dass jeder Mensch individuelle Annahmen über die Persönlichkeit und das Verhalten des Menschen generell entwickelt. Implizite Persönlichkeitstheorien wirken dabei als Stereotype, die menschliches Handeln leiten. Entsprechend gehen auch in jedes Führungsverhalten Annahmen darüber ein, wer der/die jeweilige Geführte ist, was er oder sie beabsichtigt, wie er oder sie seine/ihre Ziele verfolgen und das eigene Handeln legitimieren wird.
Subjektive Wahrnehmung und self-fulfilling-prophecy
Unsere Wahrnehmung ist subjektiv und selektiv. Dies beeinflusst maßgeblich unser eigenes Handeln: Vertritt z.B. ein Vorgesetzter ein bestimmtes Menschenbild und bewertet er eine bestimmte Situation durch diese Schablone, so hat diese subjektive Wahrnehmung reale Konsequenzen.
Beispiel: Unterstellt man Mitarbeitern, sie seien unmotiviert, unselbständig und nicht bereit, Verantwortung zu übernehmen, so wird man mit dem daraus resultierenden eigenen Führungsverhaltens häufig Bestätigungen für diese Annahmen finden. Auch hier wieder treffen wir auf Teufelskreise und „self-fulfilling-prophecy“.
In den nächsten Beiträgen mache ich Sie mit wichtigen Menschenbildern bekannt, die in der Arbeitswelt eine Rolle spielen und häufig das Führungsverhalten bestimmen. Schließlich wird das Menschenbild der Humanistischen Psychologie erläutert, welches Grundlage moderner Führungsansätze ist.
Wird unser Menschenbild nicht auch ganz erheblich von unserer Selbstwahrnehmung geprägt, die wir auf andere projizieren?