Gastbeitrag des HCC: Was kostet Führung, Herr Winterkorn?
Heute erschien ein Zwischenruf des stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden des Human-Capital-Clubs, Prof. Dr. Martin Schütte, der meiner Meinung nach alle wichtigen Führungsgrundsätze aus der Sicht der Geführten auf den Punkt bringt:
„Was kostet Führung, Herr Winterkorn?
Gute Führung eigentlich gar nichts, sie ist praktisch umsonst zu haben. Man muss nur seine Mitarbeiter so behandeln, wie man selber behandelt werden möchte. Und das ist eigentlich bei uns allen ziemlich gleich: wir wollen als Person und Mensch ernst genommen und nicht als reine Nummer behandelt werden. Dazu gehört, dass man mit uns spricht, d.h. dass man uns sagt, was man von uns erwartet und auch uns um unsere Meinung fragt. Denn wir haben eine Menge Erfahrung und kennen unseren Arbeitsplatz und unsere Kunden i.d.R. besser als unsere Vorgesetzten, weil die ja weiter weg sind. Wir würden auch gerne Verbesserungsvorschläge machen, denn wir wollen auch, dass es unserem Unternehmen gut geht und wir Weltmarktführer werden.
Da können und müssen natürlich auch kritische Anmerkungen erlaubt sein, wenn wir gemeinsam besser werden wollen. Dafür dürfen wir aber keine Angst haben müssen, abgebügelt oder gar versetzt zu werden, sondern müssen sicher sein, dass Sie kritische Anmerkungen sogar ausdrücklich wollen. Auch wünschen wir uns, dass Sie uns grundsätzlich vertrauen, dass wir uns voll reinhängen, das Beste für unser Unternehmen wollen und gerne für VW arbeiten. Wenn wir das Vertrauen enttäuschen oder missbrauchen, ist es o.k., wenn wir dafür was abbekommen.
Ganz wichtig für uns ist, dass wir so weit wie möglich selbständig arbeiten dürfen, dann macht es einfach mehr Spaß und, wie gesagt, wir kennen uns auch am besten aus in unserem Aufgabenbereich. Natürlich heißt das nicht, dass Sie uns keine Ziele geben und sagen, was Sie von uns erwarten. Im Gegenteil. Die sollen auch ruhig ehrgeizig und herausfordernd sein, denn wir strengen uns gerne an. Aber wir alle müssen dabei auch an unsere Gesundheit denken, dass wir nicht des Guten zu viel tun und unsere Gesundheit ruinieren. Dann können wir keine Höchstleistung mehr bringen. Ja, und dann wollen wir natürlich gerne in einem Klima arbeiten, in dem wir uns gegenseitig unterstützen und helfen und nicht mobben oder niedermachen.
Das, wie gesagt, ist alles zum Nulltarif zu haben, wenn alle Vorgesetzten das ernst nehmen und einfach machen und vorleben.
Die Kosten von schlechter Führung sind allerdings sehr hoch. Ich befürchte, daß VW da jetzt neue Standards setzt und Rekordsummen dabei herauskommen. Besonders gefährlich ist es, wenn ein solches Klima der Angst und Einschüchterung herrscht, daß wir uns nicht mehr trauen, Missstände oder sogar richtig kriminelles Vorgehen im Hause anzusprechen. Das ist übrigens auch seit langem bekannt. Wir vom Human-Capital-Club hätten Ihnen da viele Beispiele nennen können.
Am Schluss noch eine Bitte und eine Empfehlung:
Lassen Sie uns, wenn alles vorbei ist, doch bitte die Summe wissen, die diese Stickstoff-Sache VW insgesamt gekostet hat. Dann haben wir eine neue Höchstmarke, mit der wir alle Ihre Kollegen, auch in anderen Unternehmen, warnen können, was eine autoritäre, auf Angst und Misstrauen und Kasernenhofton (den es übrigens selbst bei der Bundeswehr nicht mehr gibt) gebaute Unternehmenskultur das Unternehmen kosten kann.
Empfehlen wollen wir Ihnen gerne im Interesse der Mitarbeiter und des ganzen Konzerns, Ihren Nachfolger zu ermuntern, einfach so zu führen, wie er selber geführt werden möchte. Wir haben gehört, dass er schon einen Anfang gemacht und sich ausdrücklich Kritik von Seiten der Mitarbeiter gewünscht hat. Jetzt hoffen wir alle, dass die Mitarbeiter das auch glauben. Aber das braucht erfahrungsgemäß einige Zeit.
Wir drücken die Daumen,
Prof. Dr. Martin Schütte
Stellv. Vorstandsvorsitzender des HCC
Oktober 2015″